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Olaf
Möller
LICHT UND TON FILME
Dass Peter Tscherkasskys "Instructions for a
Light and Sound Machine" (2005) seine Uraufführung heuer
in Cannes feiern durfte - nicht das erste mal, dass Tscherkassky
die Croisette messmerisierte... -, sollte Beweis genug sein für
den Ruf, den sein Schaffen international genießt: Einen neuen
Film von ihm zu präsentieren ist so prestigeträchtig,
dass selbst der angelotterte Filmmittelstand nicht dran vorbei kann.
Gesunkenes Kulturgut? -- kann Tscherkassky egal sein, die Genialität
seines Geistes wie die schiere Virtuosität seines Handwerks
- wenn man das denn trennen will... Nie! Nie! - sind offenbar und
sich selbst genug. Wovon man sich dieser Tage [September 2005] im
Österreichischen Filmmuseum überzeugen kann, wo das Schaffen
Tscherkasskys umfassend, wenn auch nicht vollständig zu sehen
sein wird (für die ultimative Intergrale wird man den Meister
wohl noch ein wenig bearbeiten müssen, da gibt's so Sensibilitäten...);
flankiert werden Tscherkasskys Filme von sinnstiftend bezeichnenden
Wahlverwandten: Was von Auguste & Louis Lumiere über die
Austro-Axiome Kurt Kren und Ernst Schmidt jr. bis hin zu Zeitgenossen
wie Phil Solomon reicht. Für einen weiteren Mehrwert sorgt
die spektakulär - eigentlich ja nur dem Sujet angemessen...
- bebilderte, von Alexander Horwath & Michael Loebenstein herausgegebene,
und von Tscherkassky selbst mitverfasste Monographie, die anläßlich
dieser Retrospektive bei FilmmuseumSynemaPublikationen erscheint:
ein Filmbuch-Muß: „Peter Tscherkassky“ (Wien 2005).
Und wer immer wieder zum Licht finden will und auch gewillt ist,
dafür Kompromisse einzugehen, der sei an dieser Stelle noch
nachhaltigst an die Tscherkasskys Schaffen gewidmete Index-dvd 008,
"Films from a Dark Room", erinnert -- was da drauf ist,
wird man sich am Ende des Textes gewisslich vorstellen können.
Peter Tscherkassky, geboren 1958 in Wien, hat mit dem Filmemachen
eigentlich in der BRD, genauer noch: in West-Berlin, begonnen, in
den späten 1970ern, als in Österreich alles, alles stillzustehen
schien (und das nicht ob des starken Arms des Arbeiters...), als
Wien das Kaff=Mare Krisium war, während in der vielfältig
besetzten Halb-Stadt die Kultur zu toben schien. Von 1977-79 hatte
er was Richtiges studiert - Politikwissenschaft und Publizistik,
in Wien -, als er damit durch war, folgte er seinen Instinkten,
schrieb sich an der Freien Universität Berlin in Philosopie
ein, siedelte über (2. Wohnsitz), verliebte sich, und begann
zum Ende des Jahres 1979 mit dem Filmemachen, auf Super-8: "Kreuzritter"
(1980), eine Art Kurzspielfilm mit souverän-solide antiklerikalen
epatte les bourgeoises-Tendenzen (so stellt sich das zumindest in
der Literatur dar: das ist eines der Werke, auf deren Präsentation
Tscherkassky bis auf weiteres wenig erpicht ist). In den nächsten
Jahren tastete sich Tscherkassky an jenes Kino heran, um dessen
Bedeutung für sein Künstlerheil er zwar wußte, doch
dessen Wesenheit er sich erst einmal gewahr werden mußte:
den Avantgarde-Film. Seit Jänner 1978 etwa, da P. Adams Sitney
im Österreichischen Filmmuseum eine Experimentalfilmreihe präsentierte,
ahnte Tscherkassky, dass, was immer er mit Film auch machen würde,
wenig gemein hätte mit dem, was da so war an Kinoaktualität
in Österreich -- dass es da eine Geschichte wie eine Andere
Gegenwart gab, erwies sich mit den Jahren, 1981 etwa war recht entscheidend,
da er Dietmar Brehm, Lisl Ponger, und Ernst Schmidt jr. kennenlernte.
Im gleichen Jahr entstand mit "Aderlass", eine Reminiszenz
an den Austro-Masochismus in der Kunst, ein frühes Hauptwerk,
noch Wesentlicheres folgte im Jahr darauf mit "Liebesfilm"
und "Erotique": Zwei Werke, in denen Tscherkassky zum
Kern seines Kinos findet, wie frenetisch tastend auch immer: Film
selbst, seine Materialität wie jene Codes, die seine Gegenwart
im geistigen Raum der Kultur, deren Ökonomie ausmachen.
Was ist jetzt Film? Was ist ein Bild?, und vor allem, Was kann/muß
man machen, um das Bild zum Bild werden zu lassen? Was geht, generell?
Tscherkassky macht sich an die Arbeit, die Handarbeit, die Kleinstarbeit,
die Feinarbeit -- gefilmt wird wenig, Film geschaffen viel. Alles
- man kann dieses 'alles' gar nicht genug betonen: alles - ist dabei
wichtig, muß bedacht werden -- Rohmaterialien schreien nach
der Offenbarung ihres Innersten Selbst, ihrer Inneren Kostbarkeit,
um hier mal einen psychonanlytischen Begriff zu verwenden, was paßt,
wo doch in "tabula rasa" (1987) und "Parallel Space:
Inter-View" (1992) Kino und Psychoanalyse zu einer Deckung
am Rande zur Ident-Werdung finden (die Beiträge zu Schmidt
jr’s Daniel-Paul-Schreber-Projekt nicht zu vergessen). Bevor
sich Tscherkassky aber mit der Psychoanalyse amüsieren konnte
- die 22 Sekunden Kontergemetzel "Shot - Countershot"
(1987) sollten klar machen, dass Tscherkassky das alles allein als
Philosophie ie Diskussionsbasis sieht -, mußte er sich eine
Basis, eine handwerkliche, damit argumentative Grundstruktur schaffen,
was er mit seinen strukturalistisch orientierten Arbeiten tat, etwa
dem schon erwähnten "Liebesfilm", oder "Motion
Picture (La Sortie des Ouvriers de l'Usine Lumiere a Lyon)“
(1984) - seine erste Begegnung mit den Lumiéres -, oder "Manufraktur"
(1985), einer Raserei, für die er diverse Filmfragmente straff
materialistisch miteinander verkuppelt, dass es nur so kracht. (Wie
sieht eine andere Seite jener Jahre aus, die Balettfilme? In der
Retro laufen sie nicht, Tscherkassky empfindet sie als weniger bedeutsam,
und doch...: Dass sich Tscherkassky mit Balett beschäftigte,
fühlt sich bedeutsam an. Wie auch immer.) Den brüsken
Wüsteneien von "Manufraktur" setzte Tscherkassky
dann Geklärteres wie konzeptionell Konziseres mit "tabula
rasa" entgegen, aber da ist man dann ja schon wieder bei der
Psychoanalyse.
Der nächste große Schritt - vom Tasten, zum Finden einer
Struktur, deren Erkennen/Reflektieren, dann Verwenden; von Super-8
zu 16mm - kam mit der Erhöhung zum 35mm-Material sowie einer
konsequenteren Arbeit mit Found Footage sowie der Optischen Bank:
In der Dunkelheit entstehen in poetischst analytischer Geduldsarbeit
Filme ohne Filme, sozusagen, Meisterwerke eines reineren Kinos,
das, könnte man sagen, allein aus sich selbst heraus wird --
es schneckt vor sich hin, nur um aufzugehen in frenetischen Licht-
wie Gedankenblitzen, die das Schwarz des Anderswo, des Selbst-Reflektions-Raums
zerreißt (...hang on through to the other side...). Tscherkassky
fröhnt dabei seiner Freude/Lust am filmproduktionstechnisch
Feisten: Je fetter wie in sich ruhender der Film, desto explosiv-irrlichternder
ist das, was er herauszuholen weiß. Für "Happy-End"
(1996) beschleunigte er erst einmal nur einen Haufen Heimkinomemorabilien
voller feiernder Kleinbürger zu einer Studie über Zeit,
Un-Erinnerung im Ritual, das Selbst im Aufgehen eines Miteinander
mit der Maschine wie allen zukünftigen Zuschauern, die eigentlich
nur man selbst sein sollte, sowie die süffige Eigenartigkeit
des Populären (Bonbon, Caramel...). Bei "L'Arrivee"
(1997) ist das Ausgangsmaterial schon feister, wenn auch ähnlich
fettig - Terence Youngs Großausstattungsstarschnittfilm "Mayerling"
(1969) -, das Ergebnis krasser, ironischer, irgendwo auch perverser
- dass man etwa die armen Anfänge des Kinos motivisch remade
wiederentdeckt, wenn man einfach ein Bild gespiegelt kopiert...
-, sowie von historisch peinerregender Tragweite: ein 20. Jahrhundert
auf 2' 09'' verdichtet. Die Verarbeitung all des Potentials in Sidney
J. Furies "The Entity" (1983), der durch Tscherkasskys
Entdeckungs/Interpretationsarbeit zur Echohalle aller Angst, zur
Verdichtung einer ganze Idee von Kino als Freistatt der Furcht wird
- was sich der kanadische Routinier so echt nicht gedacht hätte...
-, brauchte dann satte zwei Werke, "Outer Space" (1999)
und "Dream Work" (2001), wobei letzterer noch mit Materialverwendungs-Hommagen
an Man Ray angereichert wurde. Für "Instructions for a
Light and Sound Machine" (2005) - klingt wie ein verschollener
Doors-Song... (Pforten der Wahrnehmung sind diese Filme eh alle)
- ging Tscherkassky das vielleicht größtmögliche
Wagnis dieser Art des Filmemachens ein: Er nahm sich ein kanonisiertes
Meisterwerk vor, Sergio Leones "Il buono, il bruto e il cattivo"
(1966), und fand darin -- das Kino als solches, was den wagnerianischen
Tendenzen des Meisters, seiner Vision von einem totalen Kino, ja
nur entspricht.
Aber was macht man eigentlich, wenn man das Kino durchdekliniert
hat?:
Man muß es wohl noch mal erfinden. Und dann wird alles anders
sein.
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